Dienstag, 31. Mai 2011

Du bist, wo du wohnst?

Wie in jeder größeren Stadt, so existieren auch in Frankfurt Klischees über den typischen Bewohner eines Stadtteils. Sie verkörpern alle Eigenschaften, die für diesen Stadtteil als charakteristisch empfunden werden, und das natürlich arg überspitzt. Ob diese Stereotypen tatsächlich den größten Anteil der Bewohner dieses Viertels ausmachen, oder ob es sie überhaupt gibt, sei dahingestellt. 

Die Frage, ob es etwas über jemanden aussagt, wenn er oder sie in diesem oder jenem Stadtteil wohnt, und wenn ja was, taucht immer wieder auf - manchmal stimmen die Klischees, manchmal eben nicht. Ich jedenfalls finde es immer wieder lustig, die Reaktionen zu sehen, wenn ich erzähle, dass ich in Rödelheim wohne. Alle Dazugezogenen zucken mit den Achseln und fragen "wo?", von den alteingesessenen Frankfurtern kommt ein ungläubiger Blick, gekoppelt mit einem gedehnten „Eeeeecht?“. Oder einfach nur das Schlagwort „Rödelheim Hartreim Projekt“, welches mir selbst ehrlich gesagt lange Zeit kein Begriff war. Aber ich mag mein Rödelheim.

So wie Rödelheim als ein bisschen assig gilt, so ist Bockenheim studentisch und multikulti, Bornheim stylish und das Westend reich und elitär. Die Bewohner des Nordends wiederum gelten als erfolgreich, gebildet und kreativ; sie haben mindestens ein Kind und wählen grün. Soweit das Klischee.

Das Nordend. Die Vernetzung in dem Stadtteil ist gut, man redet und tauscht sich aus. So haben sich einige Nordendler gefunden, die alle beruflich in den Printmedien zu Hause sind, und haben das Nordend Magazin gegründet, eine Zeitschrift mit hochwertigem Look, gut geschriebenen Artikeln und dem Ansatz, durchaus auch unaktuelle Themen aufzugreifen. Geld wird mit der Zeitschrift nicht verdient, der Preis von vier Euro pro Heft dient lediglich der Kostendeckung.

Vor kurzem ist die dritte Ausgabe des Magazins erschienen, die ich allen Frankfurtern empfehle, auch den Nicht-Nordendlern, zu denen ja auch ich zähle. Erhältlich an allen Nordend-Kiosks sowie vielen Geschäften im Viertel (eine Liste aller Verkaufsstellen gibt's hier). Besonders gut gefallen mir in dieser  Ausgabe die schönen Fotos von Tänzern der Forsythe-Company, die in den Straßen des Nordends tanzen (Fotografin: Anja Jahn), sowie ein Artikel über Armut im Nordend. Denn auch dort gibt es sie, dort wo sie nicht erwartet wird, nicht ins Bild passt und deshalb häufig nicht gesehen wird. Dass die Macher der Zeitschrift auch solche Themen ansprechen und sich liebevoll-ironisch mit dem eigenen Stadtteil und dessen Image auseinandersetzen, gibt der Zeitschrift einen ganz eigenen Charme. 




Sonntag, 15. Mai 2011

Ein Ort voller Geschichten

Fast hundert Jahre lang war sie Fabrikhalle, heute beherbergt sie das Willy-Praml-Theater: Die Naxoshalle. Einmal pro Woche nutzt der Jugendladen Bornheim den hinteren Teil der Halle. Dann können sich die Jugendlichen künstlerisch austoben und sprayen fantasievolle Kunstwerke auf die hinteren Außenwände sowie auf riesige Leinwände. Die beiden „Galerien“, die sich überhalb des Bühnenraumes des Theaters befinden, sind im Laufe der Jahre zu einer Mischung aus Atelier und Requisitenlager geworden – dort befindet sich heute eine wundersame Sammlung verschiedenster Gegenstände, von einer einzelnen Autotür über eine Schaufensterpuppe bis hin zu vielen, vielen Kunstwerken. Und über allem tanzt der Staub im Sonnenlicht und man fühlt sich wie in eine andere Welt versetzt.
Vor ein paar Jahren habe ich dort mit ein paar Kommilitoninnen eine Installation fürs Studium gemacht. Damals bin ich dem Zauber dieses Ortes erlegen:





Samstag, 7. Mai 2011

Schöne Notizbücher...

... kann man doch immer gebrauchen, oder? Ich hätte da mal einen Tipp:

Das Label Bindewerk stellt hübsche Dinge aus Papier her, von schlicht und praktisch bis bunt und verspielt. Alles in Handarbeit. Zu  absolut fairen Preisen. Hier eine kleine Auswahl:




Dienstag, 3. Mai 2011

Bunt ist das Leben

Da habe ich die Nippon Connection groß angekündigt, und es dann selbst doch nur zu einem  Film dort geschafft: Colorful von Keiichi Hara.

Selbstmord und Prostitution von Minderjährigen - dies seien Themen, die für einen Animationsfilm eher ungewöhnlich seien und dafür gesorgt hätten, dass Colorful in Japan  zwiespältig aufgenommen worden sei, so der Regisseur in einer Videobotschaft, die vor dem Film gezeigt wurde.
Diese dramatische Ankündigung war für mich aus zweierlei Gründen überraschend: Zum einen ist es ja wohl keine Neuigkeit, dass Animationsfilme auch ernste Themen aufgreifen und das nicht erst seit gestern – der Zeichentrickfilm Die letzten Glühwürmchen stammt immerhin aus dem Jahr 1988 und ist einer der heftigsten Antikriegsfilme, die ich je gesehen habe. Zum anderen werden die oben genannten Themen im Film zwar aufgegriffen, spielen jedoch eher am Rande eine Rolle. Sonderlich schockierende Szenen bekommt man nicht zu sehen – insofern ist diese Warnung vor „schwierigen Inhalten“ etwas verwunderlich.
Aber ich greife vor.

Die Seele eines Verstorbenen gelangt ins Jenseits, verbittert und gleichgültig. Dort wird ihr mitgeteilt, sie erhalte die Chance, wieder in den Kreislauf des Lebens zu gelangen. Hierzu wird sie in den Körper eines Jungen verpflanzt, der zuvor Selbstmord begangen hat. Wenn die Seele innerhalb eines halben Jahres herausfindet, welche Sünde sie im letzten Leben begangen hat, erhält sie das Recht auf Wiedergeburt. Dass sie eigentlich gar keine Lust auf diese ganze Prozedur hat und überhaupt nicht scharf darauf ist, wiedergeboren zu werden, wird dabei nicht berücksichtigt. Im Nu findet sich die Seele im Körper des Jungen Makoto wieder und muss dessen Leben wieder zurecht biegen.

Diese Rahmenhandlung ist in den Einzelheiten ziemlich unlogisch, aber das klammern wir jetzt einfach mal aus, da die Grundidee, eine verbitterte Seele in den Körper eines jungen Selbstmörders zu stecken, interessantes Potential bietet.

Es stellt sich heraus, dass Makoto ein trauriger Einzelgänger war, dessen drastischer Schritt zum Selbstmord auf den Entdeckungen beruhte, dass seine Mutter eine Affäre mit ihrem Flamencolehrer (!) hatte und das Mädchen, in das er verliebt war, sich prostituierte, um  "schöne Dinge" kaufen zu können.

Wie Makotos neue Seele langsam lernt, das Leben wertzuschätzen, das ist streckenweise zwar recht langatmig erzählt, bietet  aber auch einige sehr lustige Momente, in denen ein japanischer Humor durchschimmert, der zum Lachen einlädt.

Die Animation ist jedoch leider nicht sonderlich gelungen. Bei Aufnahmen von Straßenzügen und Städten gewinnt man den Eindruck, der Regisseur habe echtes Filmmaterial so bearbeitet, dass es animiert aussehe, während die Figuren selbst sehr unecht und wenig detailliert wirken. 

Als unerträglich habe ich die ständige Musik empfunden, die jeden schönen Moment mit kitschigen Motiven wieder ruiniert. 
Zu guter Letzt wird die Moral, dass man das Leben und sich selbst mit allen Facetten, auch den weniger schönen, lieben sollte, arg überstrapaziert. Gegen Ende des Films war ich regelrecht benommen, als habe man mir eins mit der Moralkeule übergezogen.

Nun ja. Da hatte ich mir doch etwas mehr erhofft. Dem Film zugute halten kann man jedoch die interessante Grundidee und einige wirklich lustige Momente. Und gegen die Einsicht, dass das Leben und die Menschen bunt sind und auch Schattenseiten dazugehören, kann man ja auch nichts einwenden.


Colorful, Regisseur: Keiichi Hara, Japan 2010, 126 min.